Der heilige Traum ist ein Leitstern – ein Licht, das dich tiefer in die Menschlichkeit führen kann.
Einem solchen Leitstern bin ich vor über 30 Jahren begegnet, ohne es damals zu ahnen. In dieser Zeit entwickelte ich ein Siegel zu meiner Reiki-Meisterschaft. In vielen japanischen Traditionen und Künsten steht ein solches Siegel stellvertretend für eine Unterschrift. Das oben abgebildete Zeichen, das auf den ersten Blick sehr abstrakt erscheint, ist „Tensho“, eine Form der japanischen Siegelschrift, die ihren Ursprung in einer alten chinesischen Kalligrafie hat. Diese Schrift wird noch heute für Stempel und Siegel verwendet. Wörtlich übersetzt bedeutet das Siegel „Heiliger Traum“. Die japanischen Symbole repräsentieren eher Bilder als präzise Worte, weshalb eine Übersetzung bildhafter Sprachen oft zu unterschiedlichen Formulierungen führen kann. In den folgenden Zeilen möchte ich versuchen, das Bild zu beschreiben, anstatt mich nur auf den Begriff zu konzentrieren.
Als ich dieses Siegel zusammen mit einem Meister der Siegelkunst entworfen habe, hatte ich nur einen vagen Eindruck von seiner Bedeutung – einen flüchtigen Geschmack, so unklar wie ein Traum, der nach dem Aufwachen schnell verblasst. Auch heute fällt es mir manchmal schwer, dies in Worte zu fassen. Doch ich habe gelernt, dass Worte oft wenig darüber aussagen. Vielmehr geht es darum, die Bedeutung als innere Frage zu tragen und sie immer weiter zum Leben zu erwecken.
Jeder von uns trägt einen heiligen Traum in sich, – etwas Kostbares und Einzigartiges, das in keinem anderen existiert.
Dieser Traum ist die Verbindung zu unserer inneren Essenz. Meist verlieren wir diese Verbindung, sobald wir in die Welt eintreten, fast so, als würden wir bei der Geburt durch einen Kanal des Vergessens gehen. Während indigene Kulturen häufig den Namen eines Neugeborenen bereits vor der Geburt wählen, basierend auf den Eigenschaften oder dem Geist, den sie dem Kind zuschreiben, ist dies in unserem westlichen Kulturkreis nahezu undenkbar. Dabei gab es auch hier einst die Vorstellung, dass eine Seele in die Welt tritt.
das siegel
Die Entdeckung und Entfaltung des heiligen Traums ist eine Pilgerreise – eine Begegnung mit der Seele oder einem höheren Selbst, das sich in uns ausdrücken möchte.
Der Autor und Poet Michael Meade beschreibt es so: „Das Gegengift für die Konflikte, die Isolation und die Dissoziation, die für das moderne Leben so charakteristisch geworden sind, liegt darin, die alten Quellen der menschlichen Vorstellungskraft und den persönlichen Faden wiederzufinden, der jeden von uns insgeheim mit der zugrunde liegenden Kontinuität der Welt verbindet.“
Dies verdeutlicht, dass es um weit mehr geht, als sich in eine Fantasiewelt zu flüchten. Vielmehr ist es eine Art Medizin, die uns einen Weg durch das Leben weist und uns sowohl mit unserer inneren Essenz als auch mit der Energie des Universums verbindet. Gleichzeitig weist es darauf hin, dass wir uns als Kollektiv derzeit in einem Zustand der Verwirrung befinden, der uns daran hindert, diese Verbindung herzustellen. Daher wird es zur Aufgabe eines jeden Einzelnen, denn das Kollektiv wird folgen, sobald viele Einzelne ihren heiligen Traum zum Leben erwecken.
Für mich bedeutet das, den Seelenfunken, der vor über 30 Jahren in mir berührt wurde, immer weiter zu entfachen, das Feuer zu schüren, bis ich es in jeder Zelle meines Körpers spüren und damit in die Welt tragen kann. Das ist nicht immer leicht, und gerade in schwierigen Zeiten ist es hilfreich und wichtig, dafür einen Leitstern zu haben.
Wie ist es bei dir? Was ist dein Leitstern? Wie sieht der heilige Traum aus, den du in dir trägst? Kannst du ihn in dir erkennen, spüren, berühren und weiter nähren?