Als bei einem inspirierenden Treffen des Social Sculpture Lab der Begriff der inneren Notwendigkeit aufkam, wurde ich ganz wach.

Bereits im 18. Jahrhundert betrachtete der Dichter und Philosoph Novalis den Menschen als ein Wesen, das eine unsichtbare Verbindung zur Unendlichkeit in sich trägt. Seine poetischen Texte laden dazu ein, eine Brücke zwischen dem Individuum und dem Universum zu schlagen und die geistige mit der materiellen Welt zu verweben. Sein berühmter Satz „Wir träumen von Reisen durch das Weltall: Ist denn das Weltall nicht in uns?“ lässt eine tiefe Sehnsucht spürbar werden, das Absolute zu berühren – oder gar das Göttliche. Novalis sah darin eine spirituelle Bewegung, ein Streben nach Erkenntnis, Tiefe und Verbindung, das aus einer inneren Notwendigkeit heraus entsteht.

Vielleicht war Novalis von Goethe und Schiller inspiriert, die in einem ihrer zentralen Themen „Freiheit und Notwendigkeit“ ebenfalls über den inneren Antrieb philosophierten. Diese Verbindung mit etwas Größerem, das uns ruft und etwas in uns zum Ausdruck bringen möchte, erscheint mir als ein zutiefst menschliches Bedürfnis. Es berührt meine eigene Sehnsucht den heiligen Traum ins Leben zu bringen.

Viele weitere Künstler und Denker haben diese Idee aufgegriffen. Sie sahen in der inneren Notwendigkeit eine Einladung, uns mit unserem tiefsten Kern zu verbinden.

In einer Welt, die von äußeren Zwängen, Konsumdenken und Oberflächlichkeit geprägt ist, ruft uns die innere Notwendigkeit ins Bewusstsein, dass wir die tiefsten Antworten in uns selbst tragen. Denn der schöpferische Impuls ist nicht allein den Künstlern oder Denkern vorbehalten – er zeigt sich in jedem Moment, in dem ein Mensch sich entscheidet, aus seinem Innersten heraus zu handeln – sei es durch eine bewusste Lebensentscheidung, ein mutiges Wort oder einen kleinen Akt der Liebe. Es ist Ausdruck der tiefsten Freiheit und Authentizität. 

Auch Carl Gustav Jung griff die Idee einer inneren Notwendigkeit auf. In seinem Konzept der Individuation beschreibt er den Prozess, durch den ein Mensch zu sich selbst findet. Dabei geht es oft darum, den eigenen Schatten zu integrieren und Ganzheit zu verwirklichen. Die innere Notwendigkeit ist dabei treibende Kraft um das eigene Wesen zu verstehen und mit der Welt in Einklang zu kommen.

Dieser Weg ist keineswegs einfach. Er erfordert den Mut sich selbst treu zu bleiben – oft bedeutet dies ausgetretene Pfade zu verlassen, sich Unbequemem zu stellen und Schritte zu wagen, ohne genau zu wissen, wohin.  Dabei gibt es keine allgemeingültigen Ziele. Der Weg offenbart sich erst im Gehen durch das Lauschen auf die leise Stimme, die uns mit unserer tiefsten Essenz verbindet. 

Die Frage ist nur: Sind wir bereit uns hinzugeben und ihr zu folgen?